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Krisenhilfe

 Es kann jeden Tag passieren, dass man selbst oder ein Freund oder eine Verwandte in eine Krise gerät. Sei es ein Trauerfall, eine Kündigung, Probleme in der Partnerschaft, der Auszug des Kindes oder ein innerer Konflikt.

In so einer Situation kann es sehr hilfreich sein, etwas über gelungene Krisenhilfe zu wissen. Natürlich kann man auch sich selbst unterstützen, es kann aber sein, dass es sinnvoll ist, sich Hilfe zu suchen.

Siehe auch "Emotionale erste Hilfe für traumatisierte Menschen"

Der folgende Abschnitt ist entnommen aus dem Buch „Lebenskrisen – Die Seele stärken durch Bilder, Geschichten und Symbole“ von Brigitte Dorst (Walter, 2010).

„Ein kompetenter Krisenhelfer kennt Lebenskrisen aus eigener Erfahrung.

Er kennt die Angst des Kriselnden, kann sie wahrnehmen und verstehen, da er seine eigenen Ängste gut kennt und über eine differenzierte Selbstwahrnehmung verfügt.

Er merkt, welche Gefühle in ihm selbst durch die Mitteilungen eines anderen geweckt werden, welche eigenen Lebensthemen mit berührt werden, und kann deutlich zwischen sich und seinem Gegenüber trennen.

Ein guter Krisenhelfer sucht in einer vorhandenen Krise nach den Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten, auch wenn sie dem Menschen in der Krise noch nicht zugänglich sind.

Eine kompetente Krisenhelferin kann die Regressionstendenzen (sich nur noch klein, hilflos und unfähig zu fühlen) erkennen und auffangen. Sie holt den Betroffenen dort ab, wo er jetzt steht und versucht, die Erwachsenenanteile im Kriselnden zu stärken.

Sie ist kreativ genug und manchmal auch sehr erfinderisch im Entdecken von Ressourcen und Hilfsquellen. Sie kann nah sein und ist gleichzeitig gut abgegrenzt. Sie fürchtet sich nicht vor dem emotionalen Chaos, kann Weinen, Schreien und Schweigen mit aushalten. Sie fürchtet sich nicht vor suizidalen Krisen, weil sie suizidale Impulse auch in sich kennt.

Sie kann stellvertretend für den anderen die Hoffnung auf Besserung und auf einen Ausweg aus der Krise aufrechterhalten. Eine gute Krisenhelferin ist ein ganz gewöhnlicher Mitmensch mit eigenen Problemen und schwierigen Lebensthemen.

Was wohlmeinende Helfer trotzdem falsch machen:

  • am wenigsten hilfreich sind hilflose Helfer, Menschen, die sich selbst von negativen Gefühlen der Betroffenen anstecken lassen und selbst angstvoll und panisch reagieren!
  •  Übergroßes Mitleiden („Ach, das macht mich ja auch völlig fertig!“) vergrößert das Leiden insgesamt und belastet die Betroffenen zusätzlich, hilft ihnen aber nicht!
  • Unerwünschte Nähe, die aufgedrängt wird und nicht die Nähe – Distanzwünsche der Betroffenen erspürt, ist unpassend (Zwangsumarmungen zeugen von mangelndem Feingefühl). Menschen, die ihr Helfersyndrom ausagieren wollen, machen den anderen zum Objekt eigener Bestrebungen anstatt ihn zu ermächtigen, sich wieder um sich selbst kümmern zu können.

Unpassend, ungeschickt, nicht hilfreich und falsch sind auch die folgenden Verhaltensweisen:

  • eigene Ideen und Ratschläge aufnötigen („Also, ich halte es für das Beste, wenn...“)
  • Tröstungen und Vertröstungen („Das wird schon wieder!“)
  • vom Betroffenen ablenken („In der Familie meiner Kollegin, da ist genau das Gleiche passiert, und...“)
  • die Aufmerksamkeit auf sich selbst lenken („Also bei mir war das damals so:...“)
  • unbegrenzte Hilfeversprechungen machen, die dann nicht eingehalten werden können und Enttäuschungen bewirken
  • Erörtern von medizinischen Fragen oder Fragen zur Krankenversicherung zur unpassenden Zeit
  • Ratschläge von der Art: „Du musst jetzt vor allem positiv denken!“
  • Aufforderungen, doch „vernünftig“ zu sein (solche Appelle sind höchst unvernünftig)

Eine spirituelle Ethik des Helfens

Krisenhilfe ist eine Form der Begleitung und Gefährtenschaft auf einer schwierigen Wegstrecken.

Sie braucht als Basis eine Haltung, die von einem grundlegenden Wohlwollen, von Güte, Mitgefühl und Sorge um den anderen bestimmt ist. Dann können auch in sehr belastenden Notsituationen Nähe, Beistand und menschliche Zuwendung hilfreich und unter Umständen heilsam sein.

Wichtige Punkte der erfolgreichen Krisenhilfe

  • Hilfe muss Entlastung bringen, damit Raum für weitere Schritte entstehen kann
  • den eigentlichen Krisenauslöser finden, Kriselnde sind oft starr vor Angst, handlungsfähig und hilflos
  • schnell in guten Kontakt mit dem Kriselnden kommen, durch Zuwendung und Anteilnahme eine gute und tragfähige Beziehung aufbauen
  • in Kontakt bleiben, ihm das Gefühl geben, nicht alleine zu sein
  • Raum und Verständnis zum Ausdrücken aller Gefühle geben, bei offener Aggression und anderen starken Emotionen (falls Gefahr droht) Hilfe zur Kontrolle geben oder einen anderen Menschen zur Unterstützung dazu holen
  • Unterstützung bei der Suche nach möglichen Hilfsquellen zur Problembewältigung
  • was kann getan werden, um die schwierige Lage des Betroffenen zu erleichtern und verbessern (= Grundfrage der Krisenhilfe!)
  • Hilfe ist das, was hilft! Hilfe zur Selbsthilfe geben!
  • Es geht darum, dem Betroffenen zu helfen, wieder selbst handlungsfähig zu werden, seine Autonomie und Selbstwirksamkeit zurückzuerlangen
  • später kann es dann darum gehen, die tieferen Zusammenhänge herauszuarbeiten, die Sinnfrage zu stellen und Chancen zu erkunden
  • als Helfer ruhig und gelassen bleiben, Beruhigung und Sicherheit ausstrahlen, emotionale Wärme und Wertschätzung vermitteln
  • im Hier und Jetzt bleiben, Empathie zeigen, wertfrei mit den Äußerungen und dem Verhalten des Kriselnden umgehen
  • hilfreich kann es sein, dem Betroffenen seine Emotionen, seine Verwirrung zu spiegeln, um ihm zu helfen, zu verstehen, was gerade passiert
  • Krisenhelfer geben Hilfe zum Strukturieren, Ordnen und Verstehen
  • Fürsorge zeigen, z.B. ein Glas Wasser reichen, eine warme Decke, den Betroffenen in eine ruhige Ecke bringen,...
  • ganz wichtig: sich als Krisenhelfer um sich selbst kümmern, sich beizeiten zurückziehen, um sich zu erholen, ausreichend essen und trinken, sich Gutes tun, wie erwähnt, nichts ist weniger hilfreich als ein hilfloser, erschöpfter, frustrierter Helfer!"